Presseerklärung: "Vereine für Vielfalt in Dresden"
Unsere Zusammenarbeit mit der Presse dient der Information, sorgt für Reichweite und im besten Fall für positive Veränderungen. Doch zuweilen geschehen Fehler. Dinge werden falsch dargestellt und müssen daher richtiggestellt werden. Wie im Fall unseres Offenen Briefes um Fördermittel und das angeblich befürchtete Aus des Omse e.V.
Auslöser für unsere Presseerklärung mit fünf weiteren Institutionen aus Kultur und sozialer Vielfalt in Dresden war, dass das Landesförderpropgramm „Integrative Maßnahmen – in den Bereichen Integration, Partizipation und gesellschaftlicher Zusammenhalt“ mit seinem Budget nicht an den aktuellen Bedarf angepasst wurde.
Wenn hier von „uns“ die Rede ist, dann meinen wir unser Projekt „Nachbar | macht | Gorbitz“. Denn dieses Projekt ist davon bedroht, nicht weiter gefördert zu werden. Der Omse e.V. jedenfalls ist nicht vom Aus bedroht. Leider steht das so in folgenden Artikeln:
- "Sozialministerium streicht Förderung für 20 Dresdner Integrationsprojekte" (DNN vom 11. März 2021)
- "Dresdner Integrationsprojekte gefährdet" (Sächsische Zeitung vom 15. März 2021)
Deshalb möchten wir den Offenen Brief, den wir zusammen mit anderen Vereinen zur Thematik verfasst haben, hier komplett veröffentlichen und gleichzeitig dafür werben, dass unser Projekt „Nachbar | macht | Gorbitz“ weiter gefördert wird. Denn er ist nicht nur Anlaufstelle für Kinder und Familien für Freizeitbeschäftigungen. Die engagierten Mitarbeiter unterstützen vor allem Menschen mit Migrationshintergrund, die Hilfe bei der Bewältigung der schwierigen deutschen Bürokratie benötigen sowie Ansprechpartner für Arabisch und Englisch suchen. Diese Angebote gab es bis zum Jahresende 2020. Zu diesem Zeitpunkt lief die Förderphase für das Projekt „Nachbar | macht | Gorbitz“ aus.
Wir zählen nun auf Politik und Gesellschaft, dass dem erhöhten Integrationsbedarf in Dresden-Gorbitz Rechnung getragen und unser Projekt sowie auch die anderen benannten Integrationsprojekte weiter gefördert werden.
Offener Brief: Interkulturelle Familien-, Bildungs- und Sozialarbeit in Dresden erheblich bedroht
Liebe Dresdner*innen, liebe Medienvertreter*innen,
in der Landeshauptstadt Dresden engagieren sich zahlreiche Vereine und Initiativen für ein gelingendes Miteinander von Menschen verschiedener Herkunft, Religion und Kultur. Fünf von ihnen droht nun das Aus oder eine massive Einschränkung ihrer Arbeit. Denn vor Kurzem erfolgte eine Absage elementarer Fördermittel aus dem Programm „Integrative Maßnahmen“ des Sächsischen Sozialministeriums – trotz fachlicher Empfehlung durch das Sozialamt und Jugendamt der Stadt Dresden.
Dies führt nun dazu, dass die Inklusions- und Integrationsangebote der betroffenen Träger in den Bereichen Familien- und Jugendsozialarbeit, nachbarschaftliches Engagement sowie kulturelle Bildung und Teilhabe ganz wegfallen oder nachhaltig geschwächt werden. Es ist unklar, wie der bestehende Bedarf gedeckt werden und wie die seit vielen Jahren erarbeitete Relevanz, Akzeptanz und Professionalität in den unterschiedlichen Bereichen für Dresden erhalten werden kann. Davon betroffen sind:
- Das Projekt „Interkulturelle Familienwerkstatt“ des Kaleb Dresden e. V. Dort fanden Treffangebote, Kurse und Einzelgespräche mit dem Ziel der sozialen und kulturellen Teilhabe von geflüchteten und migrantischen Familien in der Stadt Dresden statt. Die bisher aufgebauten Strukturen - materiell, personell und die entstandene Vertrauensbasis mit den Teilnehmer*innen des Projektes - sind Ressourcen, die es für eine Weiterentwicklung zu nutzen gilt. Im Folgeprojekt ab 2021 sollten nun sensible Themen (Erziehungsfragen, Gewalt in der Ehe, Scheidungen, Traumabewältigung, Rassismuserfahrungen u. v. m.) in den Fokus genommen werden. Dieses Angebot entfällt ohne Fördermittel ersatzlos.
- Das Jugend-, Kultur- und Integrationszentrum SPIKE Dresden e. V. wurde 2018 mit dem Sächsischen und 2019 mit dem Dresdner Integrationspreis ausgezeichnet. Für 2021 wurde ein Projekt mit dem Schwerpunkt auf Beratung und Schulung digitaler Kompetenzen von alleinstehenden, migrantischen Männern beantragt. Dass es nicht realisiert werden kann, kappt vorhandene Zugänge.
- Das Projekt „Nachbar | macht | Gorbitz“des Omse e. V. organisiert in einem hochdiversen Quartier in Dresden-Gorbitz zahlreiche Freizeit- und Begegnungsmöglichkeiten und berät Menschen mit Migrationsgeschichte in vielfältigen Fragen. Im neu beantragten Projekt sollten Kooperationen mit Schulen und Kitas intensiviert werden. Dieses Projekt steht auf der Warteliste des Förderprogramms „Integrative Maßnahmen“ und ist derzeit planungsunfähig. Im vergangenen Jahr war der Omse e.V. Preisträger des Sterntalers 2020.
Gemeinsam schreiben der Sächsische Ausländerbeauftragte und der Deutsche Kinderschutzbund Landesverband Sachsen e.V. den „Sterntaler-Preis für besonderes Engagement für Kinder mit Migrationshintergrund und Benachteiligung“ aus. Herr Mackenroth würdigte das Engagement in der Arbeit mit Kindern mit Migrationshintergrund: „Diese Arbeit hilft und stärkt die Kinder auf Dauer. Sie ist nicht nur bedeutend für die Kinder und ihre Familien, sondern auch für unsere Gesellschaft und ihren Zusammenhalt“. - Ebenfalls auf der Warteliste befindet sich das Folgeprojekt des Montagscafés zur kulturellen Teilhabe von Menschen mit und ohne Migrationserfahrung. In dem stadtweit bekannten interkulturellem Treffpunkt im Kleinen Haus des Staatsschauspiels begegneten sich bis zu 150 Menschen aus verschiedenen Ländern jeden Montag durch und mit Mitteln der Kunst und Kultur.
- Beim Sächsischen Umschulungs- und Fortbildungswerk Dresden e. V. (SUFW) sollten sich im Begegnungsbüro wieder Ehrenamtliche und Vereine treffen, gemeinsam Länderabende und Informationsveranstaltungen organisieren oder die nächste Integrationsmesse planen. Weder Treffen, Länderabende noch Integrationsmessen werden jetzt stattfinden, Synergien zwischen laufenden Projekten können nicht genutzt werden.
Wir wenden uns mit diesem Offenen Brief an Sie, denn wir sind sehr besorgt um die Zukunft unserer Gesellschaft und den drängenden Herausforderungen unserer Zeit. Wir brauchen Ihre Unterstützung bei der Aufklärung und Diskussion hinsichtlich der Fragen: Wie wollen wir unsere Zukunft gestalten? Möchten der Freistaat und die Stadt Dresden Neuankommende nachhaltig willkommen heißen und sie mit etablierten Angeboten unterstützen, Fuß zu fassen?
Einziges Integrations-Förderprogramm in Sachsen
All diese Projekte wurden in den vergangenen Jahren über das Förderprogramm „Integrative Maßnahmen“ des Freistaates Sachsen gefördert und haben nun eine Ablehnung (oder Warteempfehlung) aufgrund fehlender Fördermittel erhalten. Sachsenweit wurden in dem einzigen Programm zur Förderung von Integrationsprojekten Anträge mit einem Gesamtvolumen von 20,8 Mio. Euro eingereicht, dem gegenüber 11,5 Mio. Euro Fördervolumen stehen von denen 4,75 Mio. Euro für Neuanträge eingeplant sind, die Differenz ist für laufende Projekten bestimmt. Die Vielzahl der beantragten Projekte (121 Neuanträge, davon 37 bewilligte und 75 abgelehnte Projekte) spiegelt die Diversität der Integrationsstrukturen und den hohen Bedarf in der Unterstützerlandschaft wider. Der Freistaat muss das Fördervolumen dringend aufstocken statt Projekte zurückzufahren.
Diversität vs. Mittelknappheit
Betrachtet man die Liste aller Förderabsagen des Programms in Dresden, so sind weitere Projekte zu jüdischer Kultur, Familien- und Bildungsarbeit, Angebote im Bereich Natur und Sport sowie im Kulturbereich darunter. Auch hier spiegelt sich nicht die Diversität der Dresdner Stadtgesellschaft wider und wertvolle Ressourcen, Netzwerkstrukturen und persönliche Beziehungen fallen durch die so erzwungene Beendigung der Projekte weg.
Kommune vs. Freistaat
Die Landeshauptstadt Dresden finanziert mit der Flüchtlings- und Migrationssozialarbeit ausschließlich die soziale Grundversorgung und Anfangsbetreuung geflüchteter Menschen. Diese sind aber auf die Existenz weiterführender Angebote angewiesen, welche von freien Trägern übernommen werden. Und diese Strukturen sind wiederum ausschließlich auf externe Projektmittel angewiesen, die in der Vergangenheit aufgrund der Höhe der benötigten Mittel eher vom Land als von der Kommune zu erhalten waren. Wenn diese Landesmittel also nicht (mehr) da ankommen, wo sie gebraucht werden, fehlt eine wichtige Säule der Integrationsarbeit vor Ort. Dresden war, ist und wird auch in Zukunft eine Stadt mit wachsender Zuwanderung und größerer Diversität sein. Um diesen Prozess erfolgreich zu gestalten, braucht es perspektivisch mehr Engagement der Kommune.
Wir wissen aus Erfahrung, dass Integrationsprozesse nicht nach zwei oder drei Jahren abgeschlossen sind. Nur wenn die Stadt Dresden und das Land Sachsen sich der Realität mit zeitgemäßen Konzepten und Angeboten stellen will, können wir unsere Zukunft produktiv gemeinsam gestalten.
Im Moment sind die (mit Sicherheit gravierenden) Auswirkungen der teilweise völlig abrupten Beendigung vorgenannter Projekte nicht absehbar und wir können nur erahnen, was passiert, wenn Menschen auf Dauer keinen Halt finden und sich nicht akzeptiert fühlen. Dies gilt es zu verhindern und sich durch „positive“ Berichterstattung über die Menschen und Initiativen in Dresden, die sich für gesellschaftlichen Zusammenhalt einsetzen, stark zu machen.
Bitte tragen Sie diese Informationen weiter.

Mitunterzeichnende des Offenen Briefes
- Interkulturelle Familienwerkstatt Kaleb Dresden e.V.
- SPIKE Dresden e.V.
- Sächsisches Umschulungs- und Fortbildungswerk Dresden e.V. (SUFW)
- Montagscafé am Staatsschauspiel Dresden
Unterstützende des Offenen Briefes
Offener Brief als Dokument zum Download (PDF)